Französische Philosophie

Französische Philosophie

Französische Philosophie. Schon vom 12. Jahrh. an beeinflußten die Franzosen die abendländ. Philosophie, bis zur Mitte des 14. war Paris der Kampfplatz zwischen Scholastik und Mystik, zwischen Kirchenglauben und freier Forschung, und deren Repräsentanten Roscellin, Wilh. von Champeaux, Abälard, Hugo und Rich. von Saint-Victor u.a. Später wurde die Pariser Universität wieder Sitz der orthodox-kath. Philosophie, bis sich durch Erneuerung der klassischen Studien und durch die Reformation mit Pierre de la Ramée (Petrus Ramus) eine auch außerhalb Frankreichs zur Geltung gelangende »neue«, wesentlich rhetorisch-formalistische Logik entwickelte. In dieser errungenen Freiheit begründete Jean Bodin eine selbständige Rechtsphilosophie, welche der feinsinnige, aber skeptische Montaigne, sowie seine Nachfolger Charron, Sanchez, de la Motte le Vayer, Huet erweiterten. Diese skeptische Stimmung suchte im 17. Jahrh. René Descartes durch Erhebung der Philosophie zur Universalwissenschaft zu überwinden. Seine Lehre, die Malebranche zu einem dem Mystizismus nahe stehenden Intellektualismus durchbildete, rief in Frankreich und den Niederlanden eine ausgedehnte wissenschaftliche Bewegung hervor, in die sich die Streitigkeiten zwischen Jansenismus und Jesuitismus mischten. Descartes' bedeutendster Gegner, Gassendi, legte darauf in Frankreich und England den Grund für die realistische und materialistische Richtung des 18. Jahrh. Die mathem. und naturwissenschaftlichen Studien Fontenelles erregten das Interesse der höhern Stände, es entwickelte sich eine geistreiche Salonphilosophie, aus der Larochefoucaulds »Reflexionen« hervorgingen. Im 18. Jahrh. verknüpfte sich die F. P. innig mit dem Entstehen der Französischen Revolution. Voltaire übermittelte den Franzosen die Newtonsche Naturphilosophie, deren Vertreter Maupertuis ward, während Lamettrie die materialistischen Tendenzen Hobbes' vertrat; Condillac bildete Lockes empiristische Psychologie zum Sensualismus um; die Enzyklopädisten, an ihrer Spitze Diderot und d'Alembert, verbreiteten den Geist der Aufklärung weit über Frankreichs Grenzen. Auf dem polit. Gebiete verkündete Montesquieu Lockes Theorie des Repräsentativsystems; Jean Jacques Rousseau, noch radikaler, predigte die Rückkehr zur Natur. Mit dem 19. Jahrh. trat die F. P. dem öffentlichen Leben und der sozialen Bewegung immer näher, und hat sie auch noch Moralpolitiker, wie Saint-Lambert, Volney, Condorcet, so schritt sie in Cabanis, de Tracy, Laromiguière zur Empirik fort. Seitdem Châteaubriand dem Orthodoxismus vorgearbeitet, ist der Gegensatz zwischen der katholisierenden, hierarchischen Partei und der freien Forschung immer stärker hervorgetreten. An die Stelle der sensualistischen Schule trat die spiritualistische, welche Cousin zur eklektischen umwandelte, deren Vertreter Jul. Simon, Rémusat, Damiron, Saisset u.a. sind. Sie machten sich durch Bearbeitungen der Geschichte der Philosophie und durch Übersetzungen der Philosophie Kants, Schellings, Schleiermachers und Hegels verdient, die nun auch die F. P. beeinflußten. Zugleich breiteten sich die sozialist. Theorien aus, deren Beförderer Fourier, Saint-Simon und später Proudhon sind, denen sich Considérant, Cabet, Louis Blanc u.a. anschließen. Eine Verschmelzung der sozialist. Ideen mit katholisierender Metaphysik zeigt sich bei Buchez, Leroux, Reynaud, Carnot, Lamennais u.a. Von den Schülern Saint-Simons hat sich bes. Auguste Comte zu einem geschlossenen philos. System, dem des Positivismus, durchgearbeitet. Der bedeutendste Vertreter dieser Richtung ist Littré. – Vgl. Taine (3. Aufl. 1868), Ravaisson (2. Aufl. 1885).


http://www.zeno.org/Brockhaus-1911. 1911.

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